2. Kapitel – Die Radiogeschichte der dreißiger Jahre

Im vergangenen Jahrhundert war sowohl das zweite wie auch das dritte Jahrzehnt durch Not und Arbeitslosigkeit gekennzeichnet. Und doch ging es mit der Rundfunktechnik unaufhaltsam nach oben. Am Ende der erfolgreichen Dreißiger konnte Deutschland mit Spitzenleistungen aufwarten. Aber den Jahren des Aufstiegs folgte ein tiefer Sturz: der beginnende Krieg sollte alles Erreichte wieder zunichte machen.

 

2.1 Das Radio in der Wirtschaftskrise

Man schrieb das Jahr 1929, als die Glühlampe fünfzig Jahre alt wurde. Albert Einstein nahm dies zum Anlass, dem Erfinder Thomas Alva Edison seine Glückwünsche zu übermitteln – per Radio! Die deutsche Wirtschaft litt noch unter Reparationslasten und war in weiten Bereichen vom Auslandskapital abhängig, aber sie florierte. An Arbeitsplätzen herrschte kein akuter Mangel. Das sollte so nicht bleiben. Mit dem Zusammenbruch der New Yorker Börse am 29. Oktober, dem „Schwarzen Freitag“, begann die Weltwirtschaftskrise, deren Auswirkungen 1929 noch nicht abzusehen waren. Es standen schlimme Jahre bevor. Man zählte in Deutschland zum Jahresende 1930 schon 4,4 Millionen Arbeitslose, ein Jahr später 5,66 Millionen und 1932 wurde die 6 Millionen Grenze noch überschritten. Über dreißig Prozent hatten keine Arbeit.

Die Kassen von Staat und Kommunen waren leer, Löhne wurden reduziert und in Raten bezahlt. Zusammenbrüche kennzeichneten das Wirtschafts- und Finanzwesen. Und trotzdem wurde Neues geschaffen, auch in diesen schlechten Zeiten. In Berlin entstand Poelzigs neues Funkhaus und in Mühlacker bei Stuttgart wurde Deutschlands erste Großrundfunk-Sendeanlage erstellt. Die Antenne zwischen zwei 100 Meter hohen Türmen aus Pechkiefernholz strahlte 60 kW Sendeleistung ab. Billiger produzieren lautete die tägliche Forderung in der Radiofabrikation und die Techniker mussten rationelle Fertigungsverfahren entwickeln. Bei Großserien wurde nach und nach das Fließbandverfahren eingeführt. Und neue Modelle gab es, man musste schließlich im Wettbewerb bestehen.

 

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In der Wirtschaftskrise war es nötig, besonders billige Radios auf den Markt zu bringen. Der primitive Geadux steckte in einem Pappgehäuse. Auch Siemens warb 1930 mit billigen Modellen, zu den Gerätepreisen mussten aber noch die Röhrenpreise addiert werden.

 

1930 wurden batteriebetriebene Geräte zur Randerscheinung. Radios aller Klassen bekamen nun den Netzanschluss für Gleich.- oder Wechselstrom. Schwerpunktmäßig wurde der preiswerte Einkreiser in der Preisklasse 90 bis 150 RM (Reichsmark) verkauft; mit eingebautem Lautsprecher 150 bis 200 RM. Das belegen statistische Notierungen, wonach der Durchschnitts Bruttopreis, allerdings ohne Röhren, je Gerät 1930 bei 138,73 RM, 1931 bei 133,18 RM und 1932 bei 145,24 RM lag.

In diesen Durchschnittspreisen eingeschlossen sind auch die allerteuersten, mit HF Schirmgitterröhren bestückten Dreikreiser, die 1930 knapp 1.000 Mark kosteten. Man kann sich leicht vorstellen, in welch geringen Stückzahlen solche Geräte gebaut wurden. In der Wirtschaftskrise war es nötig, besonders billige Radios auf den Markt zu bringen. Der primitive Geadux steckte in einem Pappgehäuse. Auch Siemens warb 1930 mit billigen Modellen, zu den Gerätepreisen mussten aber noch die Röhrenpreise addiert werden. Luxusgeräte zu Preisen bis 2.400 RM, wie sie 1928 noch angeboten worden waren, konnte man im Katalog von 1930 schon gar nicht mehr finden.

 

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1931 wurden zahlreiche Neuentwicklungen vorgestellt und die Preise gaben weiter nach. Den neuesten Telefunken-Dreikreiser 340 W (auch Katzenkopf genannt) bekam man schon für 245 RM (Reichsmark), mit eingebautem Lautsprecher für 320 RM. Aber das Interessante von 1931: eine zweite Superhet Generation war im Begriff, den Radiomarkt neu zu beleben. Lumophon war mit dem W600 noch nicht der große Wurf geglückt, aber die Stassfurter schafften mit dem Imperial Junior den Durchbruch. Wenn auch die Stassfurt Werbung: „der selektivste Fernempfänger der Welt“ anzuzweifeln ist, waren seine Empfangsleistungen so überzeugend, dass im folgenden Modelljahr alle namhaften Fabrikate nachzogen und mit Superhet-Empfängern auf den Markt kamen. 

Und neben der Superhet-Entwicklung begann sich 1932 noch eine technische Neuheit durchzusetzen: die Schwundregelung bzw. die in Amerika erfundene Fading Kompensation. Solch ein Schwundausgleich, den SABA als einzige deutsche Firma schon 1931 in ihrem Dreikreiser 41W hatte, bewirkte, dass die Lautstärke unabhängig von schwankender Feldstärke des jeweils empfangenen Senders in bestimmten Grenzen etwa konstant blieb. Anscheinend hatte sie die Krise also ganz gut gemeistert, die Rundfunkwirtschaft. SABA zum Beispiel konnte seine Fertigungskapazitäten beträchtlich erweitern, stieg sogar zum Marktführer auf. Doch es gab Unterschiede, nicht allen ging es gut. Und es drückte ein Überangebot auf den Markt.

Insbesondere aber litt der Handel durch eine Vielzahl unqualifizierter Nebenerwerbshändler. Der Reichsverband Deutscher Funkhändler e.V. Berlin (RDF) schrieb in einem Rundschreiben vom November 1932: „Der gesamte Funkhandel steht vor dem Zusammenbruch. Was ist schuld? Täglich entstehen Hunderte neuer Funkhändler. Grossisten aller Branchen züchten neue Funkhändler“. Nicht nur die Verbände RDF und VDFI wetterten gegen die „Preisschleuderer“ und Nebenerwerbshändler, auch der Radio Großhändler Verband e.V. versuchte, seine Mitglieder zur Ordnung zu rufen. Zitat aus dem Brief an einen Radiohändler in Dresden:

„Nach zuverlässigen Angaben beliefern Sie Herrn Schröder, der Bäcker ist, mit Radio ­Artikeln. Ich bitte um Mitteilung, ob die Angaben richtig sind und ob Sie tatsächlich diesen Bäcker, der keinerlei „Imperial jr. der selektivste Fernempfänger der Welt“ - schrieben die Stassfurter in ihrem Werbeprospekt Radio-Lager hat, weiterhin zu beliefern gedenken.“

 

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Im Dezember 1932 warnten schließlich auch fünfzehn führende Gerätefabrikanten vor dem Verschleudern der Markenartikel. Es war also mehr eine Krise des Handels, welche die Hersteller nur indirekt betraf. Mit einem gesamten Geräteumsatz von 1.127.921 Stück im Jahr 1930, noch 993.249 Stück im Jahr 1931 und 1.045.985 Stück im Jahr 1932 konnte die Rundfunk Wirtschaft durchaus zufrieden sein. Andere Industriezweige wären über solche Ergebnisse beglückt gewesen.

 

 

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